Johann Paris, Fiskalprokurator am Erfurter Generalgericht, berichtet Erzbischof Berthold von Mainz über sein Vorgehen gegen die Konkubinen der Geistlichen

Signatur:
LASA, A 37b I, II XIV Nr. 1
Seitenangabe:
1r-v
Datierung:
11. Juli 1486
Orte:
Erfurt
Erfurt
Wichtige Personen:
Berthold <Mainz, Erzbischof> (* 1441 † 1504)
Beris, Johannes
Dingelstedt, Johann ( † 1488)
Bearbeiter:
Rothe, Vicky
Überlieferungsform:
Ausfertigung
Historische Einordnung:
Ausgerechnet die vier angesehenen Generalrichter des Erfurter Generalgerichts hatten sich verdächtig gemacht, „dirnen“ bei sich im Haus zu haben. Dabei war es doch Priestern verboten, mit Frauen in einer Beziehung zu leben und gegen das Zölibat zu verstoßen. Der seit Mai 1486 am Erfurter Generalgericht bestellte Johann Paris hatte das skandalträchtige Treiben auch sogleich seinem Auftraggeber, dem reformfreudigen Erzbischof Berthold von Henneberg (1441/42-1504) gemeldet, wollte aber nicht ohne dessen Zustimmung gegen diese vorgehen – war es doch hoch brisant gegen so hochgestellte Kleriker etwas vorzunehmen.
Die Episode schildert das Grundproblem des sogenannten Konkubinats, einer dauerhaften und offen ausgelebten geschlechtlichen Partnerschaft, die nicht durch eine Ehe legitimiert war. Pfarrer führten in der Regel einen eigenen Hausstand und stellten zur Haushaltsführung und Kontrolle der Haushaltkasse Mägde ein. Gerade auf dem Land waren sie auf deren Hilfe angewiesen, um den landwirtschaftlichen Aufgaben, die neben den seelsorgerischen Verpflichtungen erledigt werden mussten, überhaupt gerecht zu werden. Oft blieben diese Frauen sehr lange bei demselben Pfarrer, wenn nicht sogar ihr Leben lang. Dadurch entstanden sehr vertraute Beziehungen, die in manchen Fällen ein sexuelles, bisweilen auch eheähnliches Verhältnis einschlossen.
Ein Priester genoss einige annehmliche Sonderrechte, wie etwa eine Steuer- und Abgabenfreiheit oder eine eigene geistliche Gerichtsbarkeit. Dafür war er aber auch u. a. zu Keuschheit und Ehelosigkeit verpflichtet. Bei Verstoß gegen die kirchlichen Vorschriften drohten Strafen und Zwangsmaßnahmen. Dem Bischof kam dabei die Funktion zu, über seine Geistlichen genaue Aufsicht zuführen. Bei Verfehlungen in der Lebensführung der Kleriker sollte er aktiv eingreifen. Ein Leben mit einer Konkubine konnte zum Verlust aller geistlichen Pfründen und anderen Strafen führen, wurde aber oft auch lediglich mit einer Geldstrafe belegt. Deutlich härter gingen geistliche Behörden gegen die beschuldigten Frauen vor, für die Ausweisung eine übliche Strafe war.
Doch kirchliche Norm und tatsächliche Lebensführung stimmten nicht immer überein. Auf dem Land wurde trotz der angedrohten Strafen ein dauerhaftes eheähnliches Zusammenleben durchaus akzeptiert. Nur skandalöse Verhältnisse, wie Affären mit Nonnen oder mit verheirateten Frauen, waren der öffentlichen Kritik ausgesetzt.
In der Reformationszeit wurde die Kritik am Konkubinat überwiegend aus evangelischer Position heraus forciert, man bediente das Zerrbild von einem völlig sittenlosen Klerus. Dabei lässt sich ein verschärftes Bewusstsein im Umgang mit kirchlichen Missständen beobachten: Bereits das 15. Jahrhundert war von Reformdebatten geprägt, die eine strengere Überwachung und Bestrafung bei Vergehen einklagten. Nun begannen auch die Laien vermehrt, die strikte Einhaltung der kirchlichen Vorschriften zu fordern, nicht zuletzt aus Sorge um ihr eigenes Seelenheil. Aus dem Grund wuchsen auch die Vorbehalte gegenüber den Haushälterinnen an, waren sie doch von vornherein verdächtige Personen. Damit stand der Klerus nun in doppelter Hinsicht unter Beobachtung. Die Frage war nur, welche Konsequenz man aus der eheähnlichen Gemeinschaft von Priestern und Mägden ziehen sollte? Sollte man die Frauen einfach nur fortschicken und das Konkubinat – wie es das Kirchenrecht vorsah – weiterhin verbieten oder sollte die Priesterehe erlaubt werden? Luther sprach sich später für die letztere Variante aus, fand er doch in der Heiligen Schrift keinen Hinweis darauf, dass die Ehe ein Sakrament und das Zölibat biblisch legitimiert sei.
Literatur:
Ernst Bock, Berthold von Henneberg, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), 156 f.
Peter Thaddäus Lang, Würfel, Wein und Wettersegen. Klerus und Gläubige im Bistum Eichstätt am Vorabend der Reformation, in: Volker Press/Dieter Stievermann, Martin Luther. Probleme seiner Zeit. (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung Bd. 16) Stuttgart 1986, 219-243.
Wolfgang Prange, Magd – Köchin – Haushälterin: Frauen bei Lübecker Geistlichen am Ende des Mittelalters, in: Elke Imberger (Hrsg.), „Der Stand der Frauen, wahrlich, ist ein harter Stand“. Frauenleben im Spiegel der Landesgeschichte. (Veröffentlichungen des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs Bd. 39) Schleswig 1994, 9-26.
Gabriela Signori, „wann ein fruntschafft die andere bringt“ Kleriker und ihre Mägde in spätmittelalterlichen Testamenten (13.-15. Jahrhundert), in: Eva Labouvie (Hrsg.), Ungleiche Paare. Zur Kulturgeschichte menschlicher Beziehungen. München 1997, 11-32.
Christoph Volkmar, Die Pfarrei im Blickfeld der Obrigkeit. Aufsicht und Reform durch Bischöfe, Landesherren und Städte, in: Enno Bünz/Gerhard Fouquet (Hrsg.), Die Pfarrei im späten Mittelalter. (Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte: Vorträge und Forschungen Bd. 77) Ostfildern 2013, 97-130.
Bemerkung:
Orig.; 1 Blatt, Papier, 21 x 16,8 cm, einseitig beschrieben, Brief; Rückseite: Adresse; fehlendes Verschlusssiegel des Ausstellers; nachträglicher Kanzleivermerk (Inhaltszusammenfassung) Eigenhändige Ausfertigung